Missbrauchsfälle

in St. Nikolaus

schattendasein_by_peter_weidemann_pfarrbriefservice (c) Weidemann Peter Pfarrbriefservice
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Datum:
Mo. 22. Mai 2023
Von:
Hans Tings / CL

Liebe Mitchristen, 

mit diesen Worten wende ich mich vor allem an die Gemeinde St. Nikolaus in Rölsdorf. Viele von Ihnen werden wohl den Bericht der Dürener Zeitung vom 20.5.2023 gelesen haben, in dem es um den Missbrauch von Kindern durch den damaligen Pfarrer Leonhard Meurer gegangen ist. Pfarrer Meurer war von 1955 bis 1961 Pfarrer in Rölsdorf und ist vor allem den Älteren noch ein Begriff. Ich kannte ihn persönlich nicht.

Als ich diese Zeilen las, spürte ich in mir eine aufsteigende Wut und unendliche Scham. Was hier Kindern angetan worden ist, ist nur schwer in Worte zu fassen. Meine Gedanken waren sofort bei den Opfern, die ich bis dahin fern wähnte. Ich kann es nur schwer fassen, dass dies in unserer Gemeinde St. Nikolaus geschehen ist. Auch wenn es nun über 60 Jahre her ist, die Opfer leben noch immer unter uns und sind für ihr Leben gezeichnet. Von Pfarrer Meurer hatte ich bis dahin nur positives gehört. Kunstinteressiert und eine große Nähe zu den Menschen zeichneten ihn aus. Aber – auch das haben Untersuchungen festgestellt – gerade so nach außen aufgeschlossene Menschen werden häufig zu Tätern, zu Menschen, denen die Taten niemand so richtig zutraut. Man sieht es niemanden an, dass er Täter ist.

Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte unserer Gemeinde. Es ist besonders verwerflich, weil es die Schwächsten getroffen hat, die Kinder, die eigentlich unseren ganz besonderen Schutz bedürfen. Die Schuld, die Pfarrer Meurer auf sich genommen hat, lässt sich kaum in Worte fassen. Mich machen seine Taten sprachlos.

Die Geschehnisse so zu erfahren, stimmt mich wütend und enttäuscht. Die verantwortlichen Stellen im Bistum wussten über die Vorgänge und haben uns vor Ort nicht informiert. Der Bericht in der Zeitung war meine erste Information über die Vorgänge, die einen tiefen Schatten auf uns alle werfen. Erst später hat sich das Bistum dann gemeldet – wenige Stunden nachdem der Bericht in der Dürener Zeitung erschienen ist.

Ich finde es wichtig, dass wir jetzt nicht die Augen vor dem verschließen, was vor 60 Jahren hier geschehen ist. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien, bei all jenen, die fast ihr ganzes Leben diese große Last mit und in sich herumgetragen haben. Ich möchte Sie alle ermutigen, diese Taten anzuzeigen, wenn Sie persönlich betroffen sind.

Diese Geschehnisse machen unmissverständlich klar, wie wichtig hier Aufklärung und Prävention doch sind. Missbrauch ist ein Thema, das uns alle betrifft und angeht, und solche schlimmen Taten kommen uns ganz ganz nah. Da reicht auch keine Entschuldigung – es gehört an die Öffentlichkeit, Verschweigen und Verdecken sind keine Optionen. Mich, als ihr Pfarrer, fehlen die Worte und ich spüre in mir Enttäuschung, Leere, aber auch Wut.

Und das, weil es die Grundbotschaft unseres Glaubens erschüttert und pervertiert. Es wurde von einem Vertreter der Kirche in Rölsdorf den Schutz befohlenen Kindern viel Leid zugefügt und Böses angetan.

Mich stimmt es traurig und es spornt mich an, noch genauer hinzuschauen, und alles zu tun, um unsere Kinder und Jugendlichen heute zu schützen.

Und ich hoffe, dass das Bistum aktiv wird, was die Betreuung der Opfer angeht. Ihnen muss bestmöglich geholfen werden, ihnen gilt all unsere Sorge.

Es fällt mir schwer, diese Zeilen zu schreiben. Es ist unabdingbar notwendig, nicht wegzuschauen, sondern hin;

und so Stellung zu beziehen zu diesem unbegreiflichen Geschehen. Es berührt die Wurzeln unseres Seins – und für mich ist bei uns etwas geschehen, dass für mich unvorstellbar war. Was Pfarrer Meurer da getan hat, ist höchst kriminell und durch nichts und niemand zu rechtfertigen. Es hat tiefe Wunden hinterlassen, die ein Leben lang nicht verheilen.

Ich möchte alle Frauen und Männer, die in dieser Zeit Opfer gewesen sind, und die sich noch nicht gemeldet haben, ermutigen, dies in diesen Tagen zu tun. Mir geht auf, dass das, was vor einer langen Zeit geschehen ist, viele Menschen geprägt hat. Es hat Auswirkungen bis in unseren Tagen. 

Ihr Pfarrer Hans Tings